
Vormärz

Blogger und Fotograf
Noch ist immer nichts entschieden in den Staaten. Trump oder Biden? Aber je länger ich dem Ganzen zusehe, desto mehr erscheint mir das nicht mehr so wichtig zu sein. Die USA haben in dieser Woche sehr viel von ihrem Nimbus als führende Demokratie verloren. Das Land macht sich vor den Augen der Welt lächerlich. Zu erst nominieren sie zwei ältere Männer für das höchste Amt des Landes, deren Agenda nichts zu den drängenden Fragen der Zeit beitragen. Und dann tragen sie einen unwürdigen Kampf um Auszählungen und demokratische Normen aus. Gut, es ist knapp. Wer immer am Ende die Nase vorne hat, wird die Hälfte des Landes gegen sich haben. Die sich bekämpfenden Lager gleichen sich dabei in ihrer Regiosität gegen den politschen Gegner und dem fehlenden Respekt voreinander. Beide Lager können nicht mehr demokratisches Vorbild in der Welt sein. Zu Demokratie gehört eben nicht nur der Kampf um Mehrheiten, sondern auch der Respekt vor Minderheiten und deren abweichenden Meinungen. Es zeichnet eine Demokratie aus, wie sie mit den Unterlegenen einer Abstimmung umgehen und welche Rechte sie dieser Gruppe gewähren. Freiheit ist immer auch die Freiheit des Andersdenkenden.
Still nothing is decided in the States. Trump or Biden? But the longer I watch it all, the more it doesn’t seem so important to me. The US has lost a great deal of its nimbus as a leading democracy this week. The country makes a fool of itself in front of the world. First they nominate two older men for the highest office in the country, whose agenda does not contribute to the pressing issues of the time. And then they wage an unworthy battle over counts and democratic norms. Well it’s close. Whoever comes out on top in the end will have half of the country against them. The warring camps are alike in their regiosity against their political opponents and their lack of respect for one another. Both camps can no longer be a democratic model in the world. Democracy not only includes the struggle for majorities, but also respect for minorities and their divergent opinions. A democracy is characterized by how it deals with the losers of a vote and what rights they grant this group. Freedom is always the freedom of those who think differently
Es ist schon erstaunlich, wie ruhig und unkommentiert der Abzug der amerikanischen Soldaten aus Deutschland aufgenommen wird. Dabei wird bei jedem anderen kleinlichen Thema sofort das große Rad gedreht, doch hier scheint es niemanden besonders aufzuregen. Niemand hyperventiliert, keine klammheimliche Schadenfreude oder großes Entsetzen – niemand regt sich besonders auf. Dabei ist eine Zäsur – für Deutschland, für die NATO, für Europa.
Seit 1945 befinden sich die US-amerikanischen Streitkräfte auf deutschen Boden. Sie kamen im Guten und befreite das Land vom Nationalsozialismus, ohne danach ein neues Schreckensregime aufzubauen. Sie brachten Freiheit und Schokolade – so gezählten es zu mindestens die Älteren, die von den GI’s Schokoladen geschenkt bekamen, als sie das Rheinland betraten. Dann teilten sie Europa in zwei Blöcke und begannen den kalten Krieg. Als die Sowjetunion die Mauer bauen ließ, war die US-Streitkräfte nicht bereit, die Freiheit auch im anderen Teil Deutschlands zu verteidigen. Stattdessen brachte die US-Army Atombomben und Pershing 2 – Raketen und hätten im Fall eines Krieges, ohne zu zörgern, Deutschland pulverisiert. Im Rahmen des Nato-Doppelbeschlusses wurde der Abzug der Raketen mit der Sowjetunion verhandelt und beschlossen. Als die Mauer fiel, verließen die russischen Verbände im Rahmen der 2+4 – Verträge Ostdeutschland, aber die Amerikaner blieben, sehr zum Missfallen der russischen Regierung.
Heute erfüllt ein Trump ohne Gegenleistung die jahrelangen Forderungen Russlands, zieht aus Europa ab und verändert diskussionslos die Sicherheitsstruktur Europas massiv. Darüber kann die Verlagerung eines Teiles der Streitkräfte nach Polen oder Belgien nicht hinwegtäuschen. Niemand sollte sich täuschen. Dieser Abzug wird nicht revidiert, auch dann nicht, falls eine andere Person im Januar 2021 in das Weiße Haus ziehen sollte. Die USA schaut in andere Regionen der Welt und sehen in Europa nur einen kleinen, unwichtigen Konkurrenten im globalen Machtgefüge.
Bleibt die Frage, was nun kommt. Denn schließlich ist nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen. Die Hoffnung auf ein friedliches und friedfertiges Miteinander in der Welt ist erst mal dahin. Die Antwort lautet wieder einmal:
Europa.
Wie ein paar Wochen alles verändern können. Was vor kurzem noch wichtig erschien, ist nun Luxus, der nicht notwendig ist. Die Perspektiven ändern sich gewaltig, auch wenn man zu Beginn sich erst mal orientieren muss. Alles wird von der Pandemie erdrosselt, denn daran hängen nicht nur Fragen über Gesundheit, Leben und Tod ab. Der Lockdown der Wirtschaft bringt auch viele Menschen an ihre existenziellen Grenzen. Darum werden grundsätzliche Fragen vordringlich. Z.B. wie zahle ich die Miete am Anfang des Monats, wenn ich nichts verdiene? Wann überwiegt der Schaden des Lockdowns dessen Nutzen? Noch ist es nicht soweit, aber schon bald stellt sich diese Frage mit hoher Dringlichkeit.
Muss man sich Sorgen um den Zustand der parlamentarischen Demokratie in Deutschland machen? Die ehemals großen Parteien CDU/CSU und SPD sind in einem denkbar schlechten Zustand. Beide Parteien können nicht mehr schlüssig darstellen, wofür sie stehen und welche Inhalte sie verfolgen.
Wenn man sich die Rede von Frau Kramp-Karrenbauer auf den CDU-Parteitag anhört, dann stellt man fest, dass sie nur Plattitüden enthält. Die beiden SPD-Vorsitzenden können nur darlegen, wogegen sie sind, haben kein politischen Programm. Beide Parteien verlieren die Zustimmung in breiten Bevölkerungsschichten. Wir bekommen ein massives Repräsentationsproblem: Eine Mehrheit in Deutschland fühlt sich durch die politischen Parteien nicht mehr vertreten.
Beispiel: Sicherlich will eine Mehrheit in Deutschland etwas für den Umweltschutz tun, aber nur wenige wollen sich deswegen zu einem Veganer und Klosterschüler umerziehen lassen. Eine Mehrheit ist für eine Regulierung der Zuwanderung, aber viele wollen deswegen nicht aus der EU heraus und sich obskuren rechtsradikalen Ideologien ausliefern.
Aber die Extreme regieren die politische Landschaft, und die, die dieser Mehrheit vertreten könnte, sind Dünnbrettbohrer ohne der notwendigen politischen Härte, um sich gegen die radikale Rechte durchzusetzen. Man soll ja Neulingen eine Chance geben, sich zu bewähren, aber die neuen SPD-Vorsitzenden haben nicht gerade durch argumentative Schärfe und Durchsetzungsfähigkeit geglänzt. Die gegenwärtigen politischen Auseinandersetzungen bedürfen mehr.