- Die etablierten Parteien hören viel zu viel auf die politische Stimmung im Lande und drehen ihre Meinung wie Fähnchen im Wind. Sie haben keine eigenen Ideen und Programme, für die sie kämpfen und um Mehrheiten werben. In dieses politische Vakuum stößt die AfD mit den radikalen Themen.
- Die etablierten Parteien sind schwach, weil sie niemand oder zu wenige in den Parteien engagieren. Das liegt zum Teil an den Parteien selbst, an ihren überalterten Organisationsstrukturen und ihrer fehlenden Ausstrahlung. Aber was kann eine Partei dafür, wenn sie niemand mehr hat, der sie lokal vertritt? Demokratie lebt von Teilhabe. Politik ist kein Dienstleistungsunternehmen, von dem man mehr fordern kann. Man muss schon selber machen. Wo die Teilhabe stirbt, stirbt die Demokratie.
- Die AfD ist nicht die rechtsradikale treibende Kraft, die die Menschen zum Faschismus verführt. Sie wird eher von ihren rechtsradikalen Wählern getrieben, die von der AfD immer radikalere Position verlangen. Sie setzt auch keine Themen, sondern läuft ihren Wählern hinterher wie ein Fähnchen im Wind.
Was darf eine Regierung?
Kann eine Regierung in einer parlamentarischen Demokratie ein Gesetz beschließen und verkünden?
Die Antwort lautet: NEIN!
Wenn dich das jetzt wundert, dann gehörst du zu denjenigen, die einen wesentlichen Punkt in unserer Demokratie nicht verstanden haben. Eine Regierung hat keine Gesetzgebungsbefugnis. Sie muss Gesetze befolgen, muss sie verwalten und ihre Regelungen durchführen. Sie kann Gesetzesänderungen vorschlagen, abschließen kann und darf sie sie nicht. Das ist das edelste und höchste Recht des Parlamentes. Man nennt das die Gewaltenteilung. Die Regierung, die Exekutive, muss die Gesetze ausführen, also exekutieren. Das Parlament, die Legislative, beschließt die Gesetze. Gerichte, also die Judikative, wachen unabhängig über die Einhaltung der Gesetze und bestrafen Gesetzesverstöße.
Wenn du jetzt anfängst und sagst, kenne ich, aber die eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus, die hatten doch alle zusammen, dann stimmt das nicht. Zum Beispiel wollte die Ampel ein paar Finanztöpfe aus Corona-Zeiten einfach in andere Haushaltsbereiche verschieben. Aber das Bundesverfassungsgericht hat dies als nicht gesetzeskonform erlaubt. Das war der Anfang vom Ende der Ampel. Auch werden Gesetzesvorlagen der Regierung im Bundestag fast immer verändert. Noch nie ist ein Gesetz so in den Bundestag herausgekommen als wie es hineingekommen ist. So lautet eine allseits bekannte Tatsache in einem parlamentarischen System. Die Krähen hacken sich gegenseitig doch ein Auge aus.
Nun kannst du behaupten, das sei doch ineffizient und teuer. Eine Regierung müsse doch regieren können. Aber das wäre dann nicht eine Demokratie. Demokratie bedeutet, dass eine Regierung keine totale Macht hat. Sie kann keine Gesetze beschließen, weil sie kontrolliert werden muss. Ihre Macht wird beschränkt. Demokratie heißt Beschränkung der Macht einer Regierung, und Entscheidungen über das Wohl des Landes müssen durch viele und nicht durch einen einzigen erfolgen. Und weil die Macht durch die Teilung der Gewalten beschränkt ist, sichert es die Freiheit von uns allen. Denn ein einziger darf nicht sagen, was richtig und was falsch ist.
Und weil vieler an den Gesetzen arbeiten, gibt es vorher natürlich Streit darüber, was richtig und was falsch ist. Das ist ein demokratischer Prozess. Nur in einer Diktatur gibt es keinen Streit, weil einer sagt, was gilt.
Nun kannst du zum Abschluss sagen, okay, ja das ist ja okay, aber doch irgendwie eine Selbstverständlichkeit. Das ist aber keine Selbstverständlichkeit mehr in Ländern, in denen die extreme Rechte an die Regierung gekommen ist, denn hier wird die Gewaltenteilung massiv ausgehöhlt. Dies ist in Russland schon vollzogen, in Polen und Ungarn wird die Gewaltenteilung angegriffen und auch in Italien versuchen die Neofaschisten, die demokratischen Grundregeln zu beschneiden. In den USA versucht ein Trump, die Gewaltenteilung abzuschaffen. Er ist dabei schon weit gekommen. Er regiert per Dekreten, also ohne Gesetzgebung durch die amerikanischen Congress. Er hat das oberste Gericht, den Supreme Court, mit Gefolgsleuten besetzt. Militärs, die Nationalgarden, Bildungseinrichtungen werden auf Linie gebracht. Trump will sich nicht kontrollieren lassen. Das ist dann eine Autokratie, eine autoritäre Machtausübung von wenigen über die große Mehrheit.
Ich will in einem Land leben, in dem die Macht der Region beschränkt und kontrolliert wird, und ich mittels freier Wahlen über meine Deputierten in dem Parlament an der Gestaltung mitwirken kann.
Ampel schwarz-rot?
Nach der Ampel wird nun wieder an der neuen Regierung gesägt. Nicht falsch verstehen: natürlich kann und muss man eine Regierung, besonders diese Regierung, kritisieren. Dazu müsste man sie aber inhaltlich stellen. Um sie inhaltlich zu stellen, muss man aber selbst eine inhaltliche Position einnehmen. Die meisten Journalisten in der Berliner Bubble versuchen dies aber zuallererst zu vermeiden. Stattdessen wird ein Muster erkennbar, dass schon bei der Ampel wirkte. Es gibt Kommunikationsprobleme, die Außendarstellung der Regierung ist mangelhaft, der Kanzler hat ein Führungsproblem. Nie geht es dabei um eine inhaltliche Auseinandersetzung.
Das alles spielt der AfD in die Hände. Letztlich scheint auch viele Kampagnen von der extremen Rechten auszugehen. Sie bespielen mit ihren Ressentiments ihre sozialen Kanäle. Und die sogenannten etablierten Presseorgane springen auf diesen Zug auf. Ihnen geht es dabei nur um Klickraten für ihre Webauftritte.
Weder die etablierten Parteien noch die Presse nehmen die wahre Auseinandersetzung dabei an. Es geht um die Verteidigung einer parlamentarischen Demokratie. Die extreme Rechte versucht auf allen Kanälen mit allen Mitteln diese Demokratie auszuhöhlen. Dazu stellen Sie sie als dysfunktional dar. Lösung ist dann nur eine autoritäre Führung. Die Freiheitsrechte werden dann eingeschränkt. Die Meinung anderer kriminalisiert.
Aber zu einer Demokratie gehören divergierende Meinungen. Zu einer Demokratie gehört auch, dass sie geäußert werden, und zwar mit offenem Visier, ohne dass man dabei dafür gleich diskriminiert wird. Und daran hapert es zurzeit am meisten. Eine offene, respektvolle, diskriminierungsfreie Debatte zu führen, Argumente auszutauschen, das heißt, eine lebendige, offene Demokratie zu leben.
Frei und verantwortlich
Inzwischen gehören wir zu den Konservativen, die für eine parlamentarische Demokratie mit Gewaltenteilung, für offene Grenzen und für internationale Kooperation stehen. Die extreme Rechte will das alles ändern. Die Systemsprenger stehen rechts. Da wird wieder an das Führerprinzip geglaubt und der Ausgleich aller staatliche Gewalt angegriffen. Ein Mann oder eine kleine Gruppe der Allwissenden und Allmächtigen soll alles richten. Aus so was entwickelt sich dann eine Oligarchie, beziehungsweise eine Diktatur.
Wir wollen das erhalten, was unsere Leben prägte: Ein Leben in Freiheit, in Frieden und in sozialer Sicherheit. Wir hatten das unglaubliche Glück all dies in unserem Leben zu erleben. Deutschland hat in den letzten hundert Jahren zwei Diktaturen erlebt: die der Nazis, die in einer grenzenlosen Katastrophe endete, und im Ostteil des Landes die der Kommunisten, die auch grandios gescheitert sind. Beide Diktaturen glaubten mit autoritären Strukturen, das Wohl der Menschen lenken zu können, und in beiden Fällen hat das aber nicht funktioniert. Seit mehr als 35 Jahren leben wir in einem freien Deutschland, das eingebettet in internationale Kooperation ist, das mehr als achtzig Jahre Frieden erlebt hat und das alles mit wachsenden Wohlstand. Jeder kann sagen, was er will, ohne Gefahr zu laufen, Besuch von einer Staatspolizei zu erhalten. Diese Freiheit wünschen sich Menschen in anderen Ländern, wie z.B. Belarus und Russland.
Der Rechtsruck wird denjenigen, die weniger verdienen nicht helfen. Die Ausländer sind nicht an der persönlichen wirtschaftlichen Situation schuld. Z.B.: Die Union und die AfD wollen die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall schreddern. Bürger- und Wohngeld werden weniger werden. Die Vermieter werden wieder mit Mieterhöhungen ohne gesetzliche Grenzen verlangen können, und die guten Lagen in Städten und immer mehr auch im ländlichen Raum werden sich selbst gut Verdienende nicht mehr leisten können. Gehalts- und Lohnerhöhungen können nur mit freien Gewerkschaften durchgesetzt werden. Milliardäre wie Musk, der die AfD unterstützt, sind gegen Mitbestimmung und unabhängige Personalvertretungen.
Ok, eine Wahlentscheidung ist gegenwärtig nicht einfach, vor allem wenn man über die Ampel-Regierung enttäuscht ist. Das geht vielen genauso. Aber wenn man jetzt nicht aufpasst, dann landet man in einen Staat, der anders aussieht und der die persönlichen Freiheiten mehr einschränkt, als man das sich je gewünscht hat. Das alles kommt nicht von allein. Freiheitsrechte sind nicht gottgegeben und es gab in der Geschichte immer Menschen, die ihren Mitbürgern oktroyieren wollten, wie sie zu leben haben. Wer Freiheit möchte, muss dafür auch die Verantwortung übernehmen. Freiheit ohne Verantwortung funktioniert nicht. Dazu gehört auch, sich nicht als Opfer zu sehen, als Opfer der Verhältnisse, der ‚Politik‘, der schlechten Regierung. Freiheit beruht auf Selbstermächtigung. Nur wer seine Angelegenheit in die eigene Hand nimmt, ist am Ende auch frei und lässt sich von niemanden vorschreiben, wie man leben sollte. Angst vor etwas zu haben, die dann zu Wut führt, hilft niemanden. Nur wenn ich meine Angst überwinde, ermächtige ich mich selbst, über mein Leben zu bestimmen.
Darum seid verantwortlich. Geht wählen! Seid frei!
2022 – ein Scheißjahr
Das Jahr 2022 war ein Scheißjahr, vielleicht nicht persönlich, aber politisch, wirtschaftlich und sozial.
Alles begann mit dem russischen Überfall auf die Ukraine. Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg überfällt ein europäisches Land massiv und aggressiv ein anderes europäisches Land.
Der Krieg begann schon 2014 mit dem Angriff auf die Krim – ich weiß es.
Die EU reagiert auf den Angriff mit wirtschaftlichen Sanktionen, die aber weniger Russland als die eigene Wirtschaft treffen. Die darauf explodierenden Energiepreise helfen Russland, die Einnahmen aus den Rohstoffverkauf zu erhöhen, und führen gleichzeitig zu einer massiven Inflation in Westeuropa. Die Inflation hat nicht nur wirtschaftliche Folgen für die Unternehmen in Europa, sondern führen zu großen sozialen Verwerfungen in allen europäischen Ländern.
Umgekehrt wird der Ukraine militärisch nur weg geholfen. An Rüstungsgütern bekommt sie gerade so viel, um den russischen Angriff zu stoppen, aber nicht genug, um den Krieg schnell zu gewinnen. Und diese Politik wird vor allem von den USA bestimmt, dabei von der NATO und von allen Verbündeten in der NATO gegen eigene Interesse befolgt, und vor allem von den wirtschaftlichen Interessen der USA beeinflusst. Die USA verkaufen ihr Öl zu Höchstpreisen an Europa und sind schon deswegen an eine schnelle politische Lösung nicht interessiert.
Deutschland spielt dabei eine nicht befriedigende Rolle, weil es diese Politik unterstützt, und der Ukraine nicht genug hilft. Zwar werden Flugabwehrwaffen geliefert, aber diese nicht im ausreichenden Maße, und an schweren Waffen wird gar nicht einmal gedacht. Natürlich wollte man eine Ausweitung des Kindes verhindern. Und das war auch gut so.
Aber ein Fazit des Jahres ist: Russlands militärische Macht ist geringer als von vielen gefürchtet. Ein Krieg gegen die Nato wird das Land nicht gewinnen.
Am schlimmsten bei all dem war die offene Unterstützung Russlands von weiten Teilen der deutschen Gesellschaft, vor allem in Ostdeutschland. Hier wurden offen ein Despot und eine Diktatur unterstützt, um damit gegen die Demokratie zu agitieren.
Schlimm auf der anderen Seite war auch der Einzug eines militaristischen Denkens, eines Denkens, das jede gewaltfreie Lösung unter dem Verdacht der Kollaboration stellte. Die Denkverbote, die von dieser Seite kamen, sind ein großes Hindernis für eine politische Lösung.
Denn eine politische Lösung muss kommen. Militärisch kann dieser Krieg nicht gelöst werden. Es muss eine neue Doppelstrategie entwickelt werden:
- Massiver Rüstungsunterstützung der Ukraine zur Entwicklung der Fähigkeit, Russland militärisch zurückzudrängen, auf der einen Seite.
- Politische Signale in Russland auf der anderen Seite, den Krieg durch Verhandlungen bei Räumung der besetzten Gebiete und gleichzeitiger Disposition der Sanktionen zu beenden.
Dünnbrettbohrer und andere
Muss man sich Sorgen um den Zustand der parlamentarischen Demokratie in Deutschland machen? Die ehemals großen Parteien CDU/CSU und SPD sind in einem denkbar schlechten Zustand. Beide Parteien können nicht mehr schlüssig darstellen, wofür sie stehen und welche Inhalte sie verfolgen.
Wenn man sich die Rede von Frau Kramp-Karrenbauer auf den CDU-Parteitag anhört, dann stellt man fest, dass sie nur Plattitüden enthält. Die beiden SPD-Vorsitzenden können nur darlegen, wogegen sie sind, haben kein politischen Programm. Beide Parteien verlieren die Zustimmung in breiten Bevölkerungsschichten. Wir bekommen ein massives Repräsentationsproblem: Eine Mehrheit in Deutschland fühlt sich durch die politischen Parteien nicht mehr vertreten.
Beispiel: Sicherlich will eine Mehrheit in Deutschland etwas für den Umweltschutz tun, aber nur wenige wollen sich deswegen zu einem Veganer und Klosterschüler umerziehen lassen. Eine Mehrheit ist für eine Regulierung der Zuwanderung, aber viele wollen deswegen nicht aus der EU heraus und sich obskuren rechtsradikalen Ideologien ausliefern.
Aber die Extreme regieren die politische Landschaft, und die, die dieser Mehrheit vertreten könnte, sind Dünnbrettbohrer ohne der notwendigen politischen Härte, um sich gegen die radikale Rechte durchzusetzen. Man soll ja Neulingen eine Chance geben, sich zu bewähren, aber die neuen SPD-Vorsitzenden haben nicht gerade durch argumentative Schärfe und Durchsetzungsfähigkeit geglänzt. Die gegenwärtigen politischen Auseinandersetzungen bedürfen mehr.