Es ist schon erstaunlich, wie ruhig und unkommentiert der Abzug der amerikanischen Soldaten aus Deutschland aufgenommen wird. Dabei wird bei jedem anderen kleinlichen Thema sofort das große Rad gedreht, doch hier scheint es niemanden besonders aufzuregen. Niemand hyperventiliert, keine klammheimliche Schadenfreude oder großes Entsetzen – niemand regt sich besonders auf. Dabei ist eine Zäsur – für Deutschland, für die NATO, für Europa.
Seit 1945 befinden sich die US-amerikanischen Streitkräfte auf deutschen Boden. Sie kamen im Guten und befreite das Land vom Nationalsozialismus, ohne danach ein neues Schreckensregime aufzubauen. Sie brachten Freiheit und Schokolade – so gezählten es zu mindestens die Älteren, die von den GI’s Schokoladen geschenkt bekamen, als sie das Rheinland betraten. Dann teilten sie Europa in zwei Blöcke und begannen den kalten Krieg. Als die Sowjetunion die Mauer bauen ließ, war die US-Streitkräfte nicht bereit, die Freiheit auch im anderen Teil Deutschlands zu verteidigen. Stattdessen brachte die US-Army Atombomben und Pershing 2 – Raketen und hätten im Fall eines Krieges, ohne zu zörgern, Deutschland pulverisiert. Im Rahmen des Nato-Doppelbeschlusses wurde der Abzug der Raketen mit der Sowjetunion verhandelt und beschlossen. Als die Mauer fiel, verließen die russischen Verbände im Rahmen der 2+4 – Verträge Ostdeutschland, aber die Amerikaner blieben, sehr zum Missfallen der russischen Regierung.
Heute erfüllt ein Trump ohne Gegenleistung die jahrelangen Forderungen Russlands, zieht aus Europa ab und verändert diskussionslos die Sicherheitsstruktur Europas massiv. Darüber kann die Verlagerung eines Teiles der Streitkräfte nach Polen oder Belgien nicht hinwegtäuschen. Niemand sollte sich täuschen. Dieser Abzug wird nicht revidiert, auch dann nicht, falls eine andere Person im Januar 2021 in das Weiße Haus ziehen sollte. Die USA schaut in andere Regionen der Welt und sehen in Europa nur einen kleinen, unwichtigen Konkurrenten im globalen Machtgefüge.
Bleibt die Frage, was nun kommt. Denn schließlich ist nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen. Die Hoffnung auf ein friedliches und friedfertiges Miteinander in der Welt ist erst mal dahin. Die Antwort lautet wieder einmal:
Europa.
